schöne Erinnerungen

Sie existierten lange Zeit neben den weniger schönen und den ganz hässlichen, ohne dass ich mir Gedanken darüber machte, bis mir die Kindheitstraumen als Ursache späterer Probleme erklärt wurden und ich mich an die Gefühle meiner Kindheit herantastete. Da passten sie plötzlich nicht mehr in das Bild meiner Kindheit voll Unterdrückung, Lieblosigkeit und Leistungsdruck. Es dauerte einige Zeit, bis alles an seinen rechten Platz gerückt war. 

Meine früheste Erinnerung: meine Urgroßmutter in ihrem Sessel, orangefarbener Sitzpolster und Lehne, hölzerne Armstützen. Sie war so dick, dass sie drin festzustecken schien, und sie saß da und erzählte von einer früheren, glücklichen Zeit. Als einziges blieb mir davon die Katze, die die Küken bewachte, in Erinnerung. Ich zu ihren Füßen auf dem Teppich, mit irgendwelchem Spielzeug beschäftigt, nur mit einem halben Ohr zuhörend. 

Es gibt auch vage Erinnerungen an die Sandkiste in einer nahegelegenen Grünanlage, ein Pfad führte durch eine Buschreihe zu einem Brunnen, das von dort geholte Wasser machte die Sandspiele viel interessanter. Es gab entspannte Zeiten auf einer Decke in der Wiese, Ballspiele und Federball mit meinem Vater. Im Winter sausten wir mit der Rodel den Hügel hinunter, es waren Winter mit ordentlich Schnee, am Gehsteigrand so hoch aufgetürmt, dass ich nicht darüber sehen konnte. 

Sommerhitze ist verbunden mit der Erinnerung an die alten Leute der Siedlung, wie sie im Schatten saßen und plauderten, ich oft mit meiner Großmutter dabei, ihren Geschichten lauschend. Mit dem Herumschleichen um die Häuser, dem Verstecken in einer Gebüschgruppe mit roten und orangen Beeren und dem Gießen des Blumenbeets, das meine Großmutter angelegt hatte. Und auch mit den Besuchen im Freibad, wo ich so lange im Wasser blieb, bis ich blaue Lippen bekam, denn nur drei Mal durften ich und meine Geschwister ins Wasser, dazwischen waren zwei Ruhepausen im Schatten angesagt. Diese wunderbaren Stunden wurden durch weniger Angenehmes davor und danach (am Klavier üben, Trockenschwimmübungen machen müssen, der Heimweg um 2 Uhr in größter Mittagshitze, ...) nur wenig beeinträchtigt. 

Es gab die Wanderungen im Lainzer Tiergarten, Ausflüge in den Donaupark und in den Schönbrunner Schlosspark, die Besichtigung der Wagenburg und spezieller Zimmer im Schloss mit ihren bemalten Wänden, Besuche in diversen Museen, die anfangs spannend und hochinteressant waren (erst später empfand ich sie als mühsam), die seltenen Besuche im Zoo und im Palmenhaus. Es gab die Stunden mit Puzzles, das Tischtennisspiel am Wohnzimmertisch mit Lexika als "Netz" zwischen die ausziehbaren Teile der Tischplatte geklemmt, und gegen Ende meiner Jugendzeit sogar ein elektronisches Ping-Pong-Spiel, das an den Fernsehapparat angeschlossen wurde.

Von den Feiertagen war mir Ostern am liebsten, ich liebte das Ostereiersuchen, in der Früh zu Hause, Nachmittags bei den Großeltern. Ich war überhaupt gerne bei ihnen, oft gab es Jause mit Torte oder Keksen, bei Kurzbesuchen durfte ich mir ein Stück Würfelzucker aus der grünlichen gläsernen Zuckerdose holen. Es gab dort den Foxterrier auf Rädern, auf dem ich "ritt", als ich noch klein genug dafür war, später auch ein Schaukelpferd, der große Kasten, in dem man sich verstecken konnte, eine Holzeisenbahn und diverses andere Spielzeug. Manchmal auch meinen Cousin als Spielkamerad. Sie hatten auch viel früher als meine Eltern einen Fernsehapparat, schon als ich noch klein war, und egal was lief, es war faszinierend.

In einem Sommer durfte ich für eine Woche zu Verwandten in ihr Häuschen auf dem Land, zusammen mit meinem Cousin und seinem Cousin. Ein kleiner flacher Fluss floss über die Kiesstraße, die zu der Siedlung führte, und ich spielte im Wasser mit den Kieselsteinen. Den befreundeten Bauern haben wir wohl ziemlich genervt mit unseren dauernden Besuchen im Kuhstall, ich konnte mich kaum losreißen von den Kälbchen. Als ich 14 war, ging mein Großvater in Pension und setzte durch, dass er, seine Frau und wir drei Kinder in den Sommerferien gemeinsam Urlaub am Bauernhof machten. Andere Mädchen in meinem Alter hätten das vielleicht langweilig gefunden, aber ich war glücklich. Nach drei solchen Urlauben war leider Schluss damit, mein Großvater starb an einem Herzinfarkt. 

Man kann wirklich nicht behaupten, meine Kindheit wäre nur trist gewesen. Es gab eine Menge Erfreuliches, mal größer, mal kleiner, mal nur kurz und mal länger. In eine imaginäre Waagschale geworfen, haben diese Erlebnisse wohl ihr Gewicht, jedoch nicht ausreichend, gewisse andere Einflüsse in meiner Kindheit auszugleichen. Das musste ich erst verstehen, um meinen schönen Erinnerungen ihren Platz zu lassen. 

 

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