böse Männer 

Meine früheste Erinnerung zum Thema Männer ist der Frühschoppen im Radio am Sonntag gegen Mittag, wenn meine Mutter in der Kochnische (Küche konnte man diesen winzigen Raum nicht nennen, er hatte auch nicht mal eine Türe) das Mittagessen zubereitete und mein Vater im Wohnzimmer saß. Da wurden bestimmte Witze erzählt, die meine Eltern so kommentierten, dass ich damals wirklich glaubte, es sei der Normalzustand, dass Männer die meiste Zeit saufend im Wirtshaus verbringen und dann von den erzürnten Ehefrauen entsprechend empfangen werden - meine Familie natürlich ausgeschlossen! Damals beschloss ich, niemals zu heiraten!

Als ich in die Schule ging, musste ich darauf achten, dass ich nicht von einem Mann verfolgt werde. Meine Eltern sagten mir, dass es Männer gäbe, die kleinen Mädchen nachsteigen und ihnen was antun würden. Jeder Mann, der hinter mir ging und den selben Weg nahm, war verdächtig. Es gab genaue Instruktion, was dann zu tun sei. Ich sollte auf keinen Fall schnurstracks nach Hause gehen, denn dann würde er ja wissen, wo ich wohne. Also erst mal Umwege gehen und sehen, ob er mir weiter folgen würde, und wenn ja, dann sollte ich die Werkstatt meiner Eltern bzw. Großeltern ansteuern. Tatsächlich ist mir niemals ein Mann gefolgt. Aber manchmal konnte ich nicht anders als ein bisschen trödeln oder jemanden begleiten, und dann musste ein mir verdächtig erscheinender Mann als Ausrede herhalten. Da es ja nicht notwendig war, dass dieser Mann wirklich was vorhatte, sondern schon alleine die Tatsache genügte, dass er den selben Weg nahm wie ich und dabei hinter mir blieb, konnte ich derartiges schon hin und wieder behaupten, solange ich nicht übertrieb.

Einmal begegnete mir ein Exhibitionist. Es war in einer nahegelegenen Grünanlage, wo es einen selten begangenen, abseits gelegenen Weg gab, auf dem ich natürlich nicht alleine unterwegs sein durfte. Deswegen haben meine Eltern auch nie davon erfahren. Der Typ kam mir also entgegen, öffnete plötzlich seinen Mantel, und hatte nichts darunter an. Durch die dauernden Warnungen und Instruktionen meiner Eltern überraschte mich das nicht sonderlich, und ich wusste auch, was zu tun sei. Ich sah ihn also verächtlich an, drehte mich um und ging langsam weg. Vermutlich war ich eine schreckliche Enttäuschung für ihn!

Dass ich schon gar nicht jemandem in eine Wohnung folgen oder in ein Auto einsteigen sollte, war natürlich klar. Derartige Warnungen verstärkten sich, als ich in das Alter kam, wo Mädchen mit Burschen Freundschaften schließen. Mein Vater malte geradezu den Teufel an die Wand. Jeder Bursch oder Mann, der Interesse an mir zeigte, war verdächtig, und ganz besonders, wenn er mich in eine Wohnung einladen würde. Dann war davon auszugehen, dass er nichts anderes vorhatte, als mich zu vergewaltigen. Andererseits durfte ich auch an niemandem Interesse zeigen, denn so würde ich signalisieren, dass ich ein Flittchen wäre, mit dem selben Ergebnis.  Jemanden kennenzulernen war für mich fast unmöglich, wenn es nicht über die Schule bzw. Bekannte ging. So ergab sich dann mit 17 eine "Freundschaft" über eine Schulfreundin, die Mormonin war, und die mich zu Tanzabenden in der Kirchengemeinde einlud. Ein junger Mann interessierte sich für mich, der wurde als harmlos eingestuft, denn Mormonen "dürfen" vor der Ehe ja nicht. Für mich war das ganze nur eine Gelegenheit um von zu Hause wegzukommen, und für den jungen Mann war ich mehr ein potentielles zukünftiges Kirchenmitglied als Freundin. So lange, bis er auf Mission geschickt wurde und klar war, dass ich keineswegs den Mormonen beitreten würde.

Meinen Mann habe ich kennengelernt, weil er Verkäufer in einem Geschäft war, wo mein Vater Kunde war. Dass ich eines Tages meine Angst überwand und zu ihm zog, war ein Akt der Verzweiflung. Zu diesem Zeitpunkt war es zu Hause nicht mehr auszuhalten. 

Die Botschaft, dass Männer "nichts anderes im Sinn" haben, steckt noch immer in meinen Knochen. Als ich mal zwischen Weihnachten und Neujahr mit einem netten Kollegen alleine im Büro war, geriet ich fast in Panik. 

 

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