Hypno-Therapie - 6 Der Dezember hatte sich nach Therapieerfolg angefühlt. Ich hatte etwas Energie und ich schaffte es, meine Eltern zu Weihnachten nicht zu kontaktieren. Ein bisschen ein schlechtes Gefühl hatte ich doch dabei, und es hatte da diesen Traum gegeben, in dem ich mit meinem Vater telefonierte und ihm versprach wieder brav zu sein. Aber ich hielt durch, und das fühlte sich wiederum gut an. X fand, es wäre ein großartiger Erfolg. Doch knapp nach Weihnachten bekam ich eine schreckliche Rachenentzündung. Zunächst dachte ich mir, ist nicht weiter schlimm, ich habe ja gelernt, wie man mit so Krankheiten umgeht. Ja, dachte ich! Das war aber ein kapitaler Irrtum. Am ersten Tag war ein bisschen Fieber, ich machte es mir also - wie letztes Mal - gemütlich und "nutzte" das Krank-sein aus. Am nächsten Tag war das Fieber weg, aber die Rachenschmerzen nicht, und die zogen sich jetzt mal die Ohren, dann in die Nase, dann in die Lunge, und dann ging es wieder von vorne los. Ich hatte im November einen Jin Shin Jyutsu-Selbsthilfe-Kurs gemacht und wandte an, was ich gelernt hatte, was möglicherweise half, dass keine Mittelohrentzündung entstand, aber viel mehr bewirkte es nicht. Ich fühlte mich so schwach, dass ich nicht mal Duft-QiGong machen konnte, und das sind nun wirklich keine anstrengenden Bewegungen! Zwei Wochen lang lümmelte ich nur herum, war oft auch nicht in der Lage, die JSJ-Griffe zu machen, und es änderte sich einfach nicht. Verzweifelt versuchte ich irgendeinen Vorteil zu finden, aber ich hatte nur Schmerzen und keine Energie. Allmählich änderten sich meine Überlegungen. War das eine Art Strafe? Weil ich meine Eltern zu Weihnachten nicht besucht, ja nicht mal mit ihnen telefoniert hatte? Oder weil ich mich beim Duft-QiGong zuletzt richtig wohl gefühl hatte und das nicht sein durfte? Oder vielleicht hatte ich es gar mit den Zärtlichkeits-Übungen übertrieben? Viele Fragen, keine Antwort. (Es dauerte 3 Monate, bis ich mich so weit erholt hatte, dass Duft-QiGong wieder möglich wurde. Es fühlte sich aber nie wieder so gut an wie vor dieser Infektion, und schließlich habe ich damit aufgehört. Die Rachenentzündung selbst bin ich bis heute trotz entsprechender Behandlung durch meine Ärztin nicht wieder losgeworden. An guten Tagen ist sie bloß kaum zu bemerken.) Ich hatte über die Primärtherapie gelesen und die Idee, dass dies vielleicht die richtige Therapie für mich sein könnte. X redete mir das gleich wieder aus (wieso erwähnte ich das ihm gegenüber überhaupt?). Er habe einen Klienten, der Primärtherapie gemacht hatte, und jetzt seine Hilfe bräuchte ... Aber ich war jetzt ungeduldig, wollte endlich Erfolge. X fand, ich würde unbewusst bremsen und hätte sicher gute Gründe dafür. Ich sollte mir mal mein Selbst vorstellen, mit etwas "Sächlichem". Wieder kam mir das Seidentuch in den Sinn, diesmal in der Abendbrise am Strand dem Sonnenuntergang entgegenfliegend, zart, durchscheinend, vom Wind getragen. X fand, dass ich dieses Bild malen sollte um die Vision möglichst lange festzuhalten. (Das war mir zu schwierig, aber sie ist trotzdem immer noch gegenwärtig. Nur er hat es vergessen, dass dies meinem Selbst entsprach. Kein Druck, keine Anstrengung, sich treiben lassen ...) Ende Jänner veranstaltete X eine Gruppentherapie. Ich fühlte mich da fehl am Platz. Die Probleme der anderen passten überhaupt nicht zu den meinen. Schließlich war ich dran. Ich schluchzte vor mich hin und verbrauchte massenhaft Taschentücher, als ich schilderte, dass ich nicht wisse, wer ich bin und was ich will, und auch meine Probleme mit Berührung musste ich zur Sprache bringen. Da forderte X mich auf, ich solle mir zwei Leute suchen und mit denen "kuscheln". Das ging natürlich nicht. Schließlich bestimmte er zwei Frauen, die mich in die Mitte nahmen. Das schlimmste daran war, dass ich ihm gegenüber zugeben sollte, dass es angenehm wäre. (Wobei es völlig irrelevant ist, ob es angenehm war oder nicht. Allein die Tatsache, dass jemand bestätigt haben will, dass er recht hat, ist für mich ein großes Hindernis.) Am Ende sollten Telefonnummern oder e-mail-Adressen ausgetauscht werden, soweit Interesse bestand. Ich fand niemanden in der Gruppe sympathisch genug um mit ihm oder ihr befreundet sein zu wollen. (Heute denke ich, es lag unter anderem daran, dass sie alle von X mehr oder weniger beeinflusst und gar nicht sie selbst waren.) Ich beschloss nun, dass ich nicht mehr jede Woche zur Therapie kommen wollte. Alle zwei Wochen müssten genügen. (Jede Woche eine Therapiestunde kostete mich ungefähr die Hälfte meines Einkommens.) X war stolz darauf, jederzeit "seine große Zehe" - also jeden einzelnen Körperteil - fühlen zu können. Wir machten eine Körperübung, Füße auf die Teppichkante, hinspüren, Zehen spüren, Wärme in die Zehen schicken, dann die Beine rauf, Wirbelsäule, u.s.w. Wärme schaffte ich nicht, nur ein Kribbeln. (Wo bitte ist der große Unterschied zum Autogenen Training, das er angeblich ablehnt? Daran dachte ich damals aber längst nicht mehr.) Ich sollte die Übung öfters mal alleine machen, konnte das aber nicht, fand sie langweilig, Zwangsgedanken kamen mir in die Quere. X schlug das nächste Mal vor, mir jedesmal eine Stoptafel vorzustellen, wenn so ein Zwangsgedanke kommt. Bald sah ich nur mehr Stoptafeln ... X erklärte meinem Mann und mir, wie wir einander beeinflussen. (Schade, dass er sich dabei hauptsächlich auf unsere angebliche gegenseitige Hemmung beim Sex konzentrierte. Aber wenn er beleuchtet hätte, wie sich unser Verhalten betreffend Aufmerksamkeit, Vorwürfe, einander ändern wollen etc. aufschaukelte, hätte er vielleicht auch seine unrühmliche Rolle darin erkennen müssen.) Die Trance-Geschichte vom Fluss, der die Wüste durchqueren will und dabei im Sand versickert und schließlich doch die angebotene Hilfe des Wind annimmt, sollte meine Fähigkeit, Hilfe anzunehmen, verbessern. Dann ging X auf Urlaub. Ausgerechnet als er weg war, starb mein Onkel, der Bruder meiner Mutter. Mit dem Begräbnis und der Begegnung mit meiner Familie musste ich alleine fertigwerden. Als ich später vom Begräbnis erzählte, musste ich weinen. Warum? Ich hätte meinen Onkel gerne noch im Spital besucht, aber niemand hat mir erzählt, dass er bereits so krank war. Nicht mal seine Mutter, mit der ich kurz vor seinem Tod noch gesprochen hatte. (Er hatte Krebs und war 6 Wochen lang im Spital nur mit künstlicher Ernährung am Leben erhalten worden, Behandlungen waren bereits sinnlos. Bei meinem Kontaktabbruch war das noch nicht bekannt gewesen, da gab es erst den Verdacht auf Krebs.) X meinte, ich solle mir deswegen keine Vorwürfe machen, mich nicht verantwortlich fühlen. Er schlug vor, dass ich ihm einen Abschiedsbrief schreiben solle. Das habe ich dann auch gemacht und ihn auf seinem Grab verbrannt. Neuerlich machten wir eine Auftstellung der Familie am runden Tisch. Wieder ergab sich das selbe Bild. Oma links, meine Mutter ihr gegenüber, Vater neben meiner Mutter, seine Eltern im Hintergrund eher links, mein Bruder in der Nähe meiner Eltern. Ich kam nicht vor, konnte mich nur außerhalb der Runde vorstellen, keiner sah mich an. Keiner wollte was mit mir zu tun haben. Ende März riet X zu einem Antidepressivum, einem, das mich in Schwung bringen sollte. So energielos wie ich war, meinte er, könne es nicht weitergehen. Ich mag so ein Zeug nicht, meine Ärztin findet es auch nicht gut. Schon beim ersten Mal, ganz am Anfang der Therapie hatte sie mir davon abgeraten, als X so einen Vorschlag machte. Er hatte gemeint, es würde die Therapie erleichtern. (Glaube ich ihm gerne. Unter chemischem Einfluss - wenn man seine Angst (oder innere Stimme?) nicht spürt - lässt sich ein Klient vermutlich leichter manipulieren !) X versuchte wieder mal mich zu etwas zu animieren, was mir Spaß macht. Ich konnte nichts finden, was mir Spaß machen würde und was ich auch machen könnte. Stattdessen spürte ich, dass ich mich nach Entspannung sehnte, und danach, etwas ohne Druck und mit Energie machen zu können. (Die Botschaften einiger Trancen hatten ihren Weg in mein Bewusstsein gefunden, doch noch war der Druck von X stärker.) Wir wurden uns einig, dass eine undefinierbare Angst mich bremste. (Das heißt, er bestimmte das, und ich glaubte ihm.) "Frei fluktuierende Angst" nannte X das, sie würde sich auf etwas stürzen, was gerade zur Verfügung steht. Trotzdem meinte er, ich sei kein Angstpatient. Da gerade mal wieder gar nichts ging und mich große Abscheu vor allem möglichen gepackt hatte, sprach X von einer Art Fluch. Ich hatte ihn als eingefahrenen Weg vor Augen, aus dem man kaum herauskommen kann. Deswegen machten wir eine kleine Trance, in der ich mir einen netten Weg durch einen schönen Wald vorstellte. X meinte, der Weg wäre wichtiger als das Ziel. (Schöne Worte, meist hatte ich den gegenteiligen Eindruck!) Wir machten eine weitere Trance zum Thema Weg. Ich sollte mir eine Kreuzung vorstellen, welchen Weg nehme ich, mir vorstellen, wie es weitergeht. Eine schöne Bilderreise, ohne Ziel, keine Ahnung, ob es irgendeinen Effekt hatte. Im April machte ich einen Jin Shin Jyutsu-5-Tage-Kurs. Das war zwar anstrengend, aber einfach wunderbar, und es brachte mir etwas Energie. |
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